Sebastian Fitzek – Noah

Erster Satz: Alicia wurde von der Stille geweckt.

Noah ist mit vollständigem Gedächnisverlust und einer Schusswunde in Berlin von dem Obdachlosen Oscar gefunden und hochgepeppelt worden, der Name wurde ihm nach dem Tattoo auf seiner Handfläche gegeben. Während der paranoide ehemalige Arzt Oscar mit seinem Schützling „unter dem Radar“ zu leben versucht, will Noah herausfinden, wer er ist – was durch die seltenen Erinnerungsblitze gar nicht mal erleichtert wird. Als sich dann herausstellt, dass Noah die Reflexe und Fähigkeiten eines Profikillers hat, dauert es nicht mehr lange, bis die beiden und eine amerikanische Journalistin auf der Flucht sind: Vor einer tödlichen Krankheit, Manila-Grippe genannt, die geschaffen wurde um die Erde vom Parasit Mensch zu befreien und vor einer oder mehreren Organisationen, deren Beweggründe tief versteckt in Noahs beschädigten Gedächnis sind.

Unterhaltsam wie immer! Einen Fitzek zu lesen, macht eigentlich jedesmal Spaß. Diesmal ist es kein „bloßer“ Psychothriller, sondern fast schon ein Politthriller, in dem die verschiedenen Parteien um Noah bzw. dessen Tod ringen und versuchen die Seuche zu schützen oder zu bekämpfen.
Immer wieder rechtfertigen die „Bösen“ im Roman ihr Tun mit den Prognosen der Überbevölkerung des Planeten, die unmöglich versorgt werden kann. Ich kannte diese Daten bereits, da ich vor ein paar Jahren eine Hausarbeit über den ökologischen Fußabdruck geschrieben habe, aber die Schlussfolgerung, dass sich der Konsum nicht ändern wird, darum müsse die andere Variable (die Bevölkerungszahl) dezimiert werden, ist ganz schön bitter. Ebenfalls bitter: Die traurigen Umweltprognosen der nächsten Jahrzehnte alle 100 Seiten vorgebetet zu bekommen. Das war mindestens einmal zu viel, Herr Fitzek! Trotzdem: einen spannenden Rahmen hat er da geschaffen, um Noah und Oscar durch Europa zu jagen.
Doch auch hinter dieser aufregenden Story wieder ein „aber“ für mich: Die Auflösung war zu sehr an den Haaren herbei gezogen, das war zu einfach. Schade! Trotzdem hatte ich schöne Stunden mit diesem Roman.

George R. R. Martin – Der Heckenritter von Westeros: Das Urteil der Sieben

Die Sehnsucht nach dem „Lied von Eis und Feuer“ nagt an mir und wird durch die Fernsehserie nur noch geschürt. Aber, ach…:

Stattdessen habe ich mir also den „Heckenritter von Westeros“ besorgt, der gefühlte 20 Generationen vor den Handlungen aus dem Lied von Eis und Feuer spielt.

Erster Satz: Der Frühlingsregen hatte den Boden aufgeweicht, daher fiel es Dunk nicht schwer, das Grab zu schaufeln.

Hier spielt Ser Dunkan der Große die Hauptrolle, der eigentlich nur ein hochgewachsener, aber ehrenwerter und idealistischer Knappe ist. Durch Zufall nimmt der selbsternannte Ritter einen Jungen namens Ei als Knappe auf, der sich nach einiger Zeit als Aegon V Targaryen herausstellt – Aegon der Unwahrscheinliche, wie der Fan ihn kennt, da er in der Thronfolge so weit hinten stand, dass seine Herrschaft überraschend kam. Wie sie kam, das erfahren wir in Buch noch nicht, aber Dunk und Ei erleben ein paar spannende Abenteuer zusammen.
Das war es dann leider auch… Ganz nett und unterhaltsam, tröstet ein bisschen über die Wartezeit hinweg, ist aber in meinen Augen kein eigenstehendes Projekt, sondern eher ein nettes Zubrot für Fans.

Dan Wells – Serienkiller. Die komplette Trilogie

Erster Satz: Mrs. Anderson war tot.

Eine Geschichte aus der Sicht eines Menschen zu erzählen, der das Bedürfnis zu töten hat, ist ein faszinierender Ansatz, den ich bereits bei der TV-Serie „Dexter“ zu lieben gelernt habe. Darum bin ich auch schon mehrfach um Dan Wells‘ Roman „Ich bin kein Serienkiller“ herumgeschlichen, habe es aber jedesmal wieder weggelegt, wenn mir wieder auffiel, dass der Protagonist noch zur Schule geht.
Neulich brauchte ich dann aber dringend etwas Lesestoff und da erschien der „Serienkiller“-Omnibus in meinem Sichtfeld: Die drei Bände „Ich bin kein Serienkiller“, „Mr. Monster“ und „Ich will dich nicht töten“ in einem Buch, zum Preis eines einzelnen Romans – wie hätte mein Schnäppchenjägerherz da Nein sagen können?

Den ersten Teil habe ich dann auch ziemlich fix durchgelesen: Der fünfzehnjährige John Cleaver ist vom Tod besessen – mehr als es seiner Mutter, die das örtliche Bestattungsinstitut leitet, lieb sein kann. Zwischen der Arbeit im Familienbetrieb, der Schule und den Besuchen beim Psychiater recherchiert John über Serienmörder, was immer er finden kann. Und dann wird sein „Traum“ war: Ein Mord auf den anderen folgt in seinem Heimatkaff. Auf der Jagd nach seinem „Artgenossen“ findet John jedoch heraus, dass der Täter eher dämonisch als menschlich ist.

Dieser Schritt in die Fantasywelt hat mir ehrlich gesagt überhaupt nicht gefallen. Der Erzählstrang ist ganz gut aufgebaut und es lässt sich flüssig lesen, ist jedoch irgendwie trotz der Idee nicht herausragend und durch den zweiten Band (na so was: ein neuer Serienmörder im Kaff) habe ich mich eine Weile gequält und jetzt aufgegeben.

Eva Stachniak – Der Winterpalast

Erster Satz: Spione bleiben normalerweise unsichtbar, außer sie werden enttarnt, oder sie treten freiwillig ans Licht der Öffentlichkeit.

Barbara ist sieben, als ihre Familie 1734 aus Polen nach Sankt Petersburg zieht. Dank seines guten Rufs als Buchbinder gewinnt Barbaras Vater schnell das Wohlwollen der späteren Kaiserin Elisabeth, die dann 1743 das kürzlich verwaiste Mädchen als Magd an ihren Hof nimmt. Warwara ist weder geschickt noch glücklich mit ihren Aufgaben in der Kleiderkammer und so ist sie Wachs in den Händen von Reichskanzler Graf Bestuschew, als er feststellt, dass sie ihre Ohren immer offen hält. Er bildet sie zur „Zunge“ aus und „befördert“ sie bald in die Gemächer von Großfürst Peter, wo sie brav ihrem Handwerk nachgeht, bis dessen Versprochene an den Hof kommt: Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst. Schnell stiehlt sich das fleißige, bescheidene Mädchen in das Herz der Spionin, die schließlich dazu übergeht, belastende Dokumente zu verbrennen statt zu kopieren – woraufhin sie bald als „ersetzbar“ deklassiert und verheiratet wird. Zusammen mit Warwara begleiten wir die Großfürstin, die inzwischen Katharina heißt, bei ihrem Kampf gegen den Hof bis hin zur Machtergreifung. Während die Geheimnisse der späteren Kaiserin und des restlichen Hofs vor dem Leser ausgebreitet werden, schwingt stets die Frage mit: Wer ist wirklich ein Freund und wer treibt nur ein falsches Spiel?
Ein spannendes Buch, das sich zügig liest und einen faszinierenden Einblick in die russische Kaisergeschichte bietet, dessen Authentizität ich leider nur vage beurteilen kann. Hat Spaß gemacht! Angeblich arbeitet die Autorin gerade an einem Buch über die Amtszeit von Katharina der Großen – da werde ich auf jeden Fall einen Blick rein werfen.

Charlotte Brontë – Jane Eyre

Erster Satz: An jenem Tage war es nicht möglich, einen Spaziergang zu machen.

Abgebrochen. Eigentlich wollte ich dieses Buch in einer Leserunde im Forum lesen, was eigentlich bedeutet, dass ich wegen der netten Gesellschaft selbst dann „durchhalte“, wenn das Buch nicht ganz mein Fall ist. Hier ist es aber so, dass der Roman durchaus interessant ist, aber ich erst durch die Mitlesenden gemerkt habe, dass meine uralte Ausgabe (ohne Datum, ich liebe so alte Bücher) eine gekürzte Version ist und dieser Umstand hat mir irgendwie den Spaß verdorben.

Paolo Giordano – Die Einsamkeit der Primzahlen

Erster Satz: Alice Della Rocca hasste die Skischule.

Das Buch beginnt mit den Schicksalsschlägen, die Alice und Mattia als kleine Kinder trafen: Alice hatte einen schweren Skiunfall allein auf einer gesperrten Piste und gibt ihrem Vater die Schuld daran, dass sie seitdem humpelt; Mattia ließ seine geistig behinderte Zwillingsschwester auf dem Weg zu einer Geburtstagsparty im Park zurück um sich einmal nicht von ihr blamieren zu lassen und hat sie seitdem nie wieder gesehen. Beide kämpfen sich als Außenseiter durch die Schulzeit und kompensieren ihre Traumata mit selbstzerstörerischem Verhalten.
Als die beiden sich treffen, erkennen sie sofort eine feine Verbindung, können aber nicht genug aufeinander zu gehen um tatsächlich eine Beziehung aufzubauen. Mattia, der eine Begabung für Zahlen hat, vergleicht ihr Verhältnis mit den titelgebenden „Primzahlzwillingen“ (wie 11 und 13 oder 179 und 181) – sie haben eine Besonderheit gemein und sind sich nahe, können sich jedoch nie berühren.

Wir begleiten Alice und Mattia abwechselnd beim Heranwachsen: Zunächst das Unglück im Kindesalter, dann die Teenager, die sich in der Schule kennen lernen, später bei Mattias Diplomarbeit und Alices Ausbildungs zur Fotografin und ein letztes Mal einige Jahre später, als die beiden sich scheinbar schon auseinander gelebt hatten. Diese Zeit- und Perspektivensprünge machen das Buch nicht sonderlich flüssig und die Selbstzerstörung der beiden ist wirklich deprimierend. Ein bedrückendes Buch.

Sebastian Fitzek – Der Nachtwandler

Erster Satz: Der Patient lag noch nicht einmal eine halbe Stunde auf der Station, und schon machte er Ärger.

Leon hatte als Kind Hypersomnie: Er schlafwandelte so intensiv, dass man ihn für wach halten konnte. Seit er mit einem Messer in der Hand am Bett seines Pflegebruders geweckt und daraufhin weggegeben wurde, ist er außerdem überzeugt, dass er im Schlaf ein agressiver, brutaler Mensch ist. Dank neuen Pflegeeltern und einem guten Psychiater ist das jedoch alles längst Geschichte, als er mit seiner Frau Natalie in eine großartige neue Wohnung einzieht. Bis er eines Morgens erwacht und sie beim Kofferpacken erwischt – mit einem blauen Auge, einem abgebrochenen Zahn und einem ausgerissenen Fingernagel. Überzeugt, dass seine gewalttätigen Schlafwandlungen zurückgekehrt sind, bestellt er sich eine Stirnkamera, deren Aufzeichnungen er am nächsten Tag kaum glauben kann: Der schlafende Leon schiebt den Kleiderschrank zur Seite und öffnet eine dahinter liegende, mit Zahlenschloss gesicherte Panzertür.
Spätestens als er in der Wohnung Dinge findet, die Natalie bei ihrem Auszug mitgenommen hatte und dann auch noch ihr Handy in dem Schacht hinter der Tür liegt, ist Leon wild entschlossen, die geheimen Tunnel in dem Haus zu durchforsten und wieder gut zu machen, was immer er im Schlaf angerichtet hat.

Spannung pur! Und ein absoluter Mindfuck, Herr Fitzek muss komplett durchgeknallt sein – großartig! Dieses Buch lässt sich wirklich schwer aus der Hand legen. Ich muss zugeben, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr stößt mir auch sauer auf, aber ich war durchgängig gut unterhalten, also was solls? Gruselgarantie!

Sebastian Fitzek – Der Augensammler

Erster Satz: Es gibt Geschichten, die sind wie tödliche Spiralen und graben sich mit rostigen Widerhaken tiefer und tiefer in das Bewusstsein dessen, der sie sich anhören muss.

Zu Beginn des Buches hat sich der „Augensammler“ bereits einen Namen in Berlin gemacht: Er ermordet Frauen um ihr Kind zu entführen und hinterlässt dem Vater eine Stopuhr mit einem Countdown von 45 Stunden, in denen er Zeit hat zu suchen. Nach bislang immer erfolglosem Ablauf der Frist wird das Kind erstickt aufgefunden, ein Auge hat der Serienmörder entfernt. Alexander Zorbach ist Journalist seit er aus dem Polizeidienst ausschied. Bei der vierten Entführung des Augensammlers bahnt sich plötzlich eine merkwürdige Verbindung zwischen ihm und dem Psychopathen an: Noch 45 Stunden bis die Zwillinge sterben müssen und die Polizei jagt Zorbach, der den Augensammler jagt, der wiederum Hinweise für Zorbach und dessen blinde Begleiterin streut…

Spannend, fesselnd, interessant, dagegen kann man nichts sagen. Aber! Fitzek beschließt jedes der 84 Kapitel mit einem Cliffhanger, der aber oft nur vorgetäuscht ist. Zum Beispiel (sinngemäß): Auf dem Video sah ich mich selbst. Nächstes Kapitel. Beziehungsweise einen Mann, der die gleiche Kleidung trug wie ich. Das finde ich billig und blöd, das hat er eigentlich nicht nötig. Außerdem gibt es einen als/wie-Fehler, der mir bitter aufgestoßen ist. Das mag auf hohem Niveau gejammert ist, denn Fitzek ist meiner Meinung nach einer der besten deutschen Krimi/Thriller-Autoren, aber das hier ist irgendwie nicht das beste Buch von ihm. Darum habe ich auch, als ich mir gestern die Fortsetzung „Der Augenjäger“ holen wollte (der aber offenbar gar nicht direkt an den ersten Band anschließt…?), lieber zum neuen Thriller „Der Nachtwandler“ gegriffen…

George Pelecanos – Der Totengarten

Erster Satz: Der Schauplatz des Verbrechens befand sich im Bereich der unteren 30er Straßennummern – nicht weit von der E Street, am Rand des Fort Dupont Park, in einem Viertel namens Greenway im 6th District von Southeast D.C.

Zwanzig Jahre vor der eigentlichen Handlung des Buches bewachen die frischgebackenen Polizisten Ramone und Holiday zusammen die Absperrung zum Ablageort des dritten Opfers eines Serientäters: Wieder ein Kind, dessen Name ein Palindrom ist; leitender Ermittler ist die Legende T.C. Coop. Zeitsprung nach 2005: Holiday ist aus dem Polizeidienst ausgeschieden, ist jetzt Alkoholiker mit Limosinenservice (unschöne Kombination, wenn ihr mich fragt); Ramone ist die Karriereleiter hochgeklettert, hat Frau und zwei Kinder; Coop ist längst pensioniert, hatte einen Schlaganfall und kann jetzt nicht mal mehr die Uhr lesen. Da wird eine weitere Kinderleiche gefunden, dessen Name sich von vorn und hinten gleich liest. Ramone ist hier zwar gar nicht Hauptermittler, zieht die Parallelen aber doch, ebenso wie Holiday, der die Leiche zufällig fand und dann Kontakt zu Coop aufnimmt.

So weit, so gut. Leider ist das eben beschriebene gar nicht der Löwenanteil dieses Buches. Viel mehr Raum nehmen Holiday Sauftouren und Frauengeschichten sowie Ramones Familienprobleme mit Sorgenkind Diego ein. Superlangweilig! Drum herum werden weitere Storylines um ein paar pubertierende Möchtegernbösewichte aufgebaut, die wirklich so rein gar nichts mit dem Mord zu tun haben. Hinzu kommt ein fortwährendes Product Placement, dem man entnehmen kann, dass Menschen in Washington ausschließlich Nike tragen. Während ab und zu das Rassismusthema angeschnitten wird (Ramones Frau ist schwarz, sein Sohn wird nicht wie weiße Schüler behandelt), trieft das Buch vor Sexismus dass einem echt schlecht werden kann. Und die Auflösung des Falles, wegen der wir das Buch ja nun eigentlich lesen, ist dann am Ende nur noch ein schlechter Witz. Ich bin echt enttäuscht.

Akif Pirincci – Der Rumpf

Erster Satz: Eher reißen Katzen eines Tages die Weltherrschaft an sich, als dass ein Mensch ohne Arme und Beine den perfekten Mord begeht.

Daniel bezeichnet sich selbst als „Rumpf“: Er wurde ohne Arme und Beine geboren und kurz darauf an einer Kirchenpforte abgegeben. Unabhängig von diesen Defiziten wird er ein hochintelligenter Mann, der sein Leben äußerst zynisch und fies beschreibt und seine Freizeit in erster Linie mit der Jagd nach Röcken verbringt. Sein kirchlicher Pflegevater kann sich schließlich nicht mehr um ihn kümmern und nach einem Umweg über ein „normales“ Pflegeheim kommt Daniel in die Anstalt „Zu den verzauberten Jägern“, einem Luxusheim, das sein Geld vor allem mit durch die Bewohner betriebener Astronomie und Astrologie verdient. Daniel ist erst kurz dort, als er beschließt, Heimleiter Sladek zu ermorden – und der Rumpf macht keine halben Sachen, es muss schon der „perfekte Mord“ sein.

Zynisch und fies ist das Buch durchgehend, und das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Die teils sehr verschlungenen Sätze passten zum klugen Ich-Erzähler und waren immer toll formuliert, schläferten aber irgendwie auf Dauer doch ziemlich ein. Fazit deshalb: Amüsant, spannend, aber irgendwie nicht fesselnd.