Frank McCourt – Die Asche meiner Mutter

Erster Satz: Mein Vater und meine Mutter hätten in New York bleiben sollen, wo sie sich kennengelernt und geheiratet haben und wo ich geboren wurde.

Frank McCourt verlässt in jungen Jahren mit seiner Familie Amerika, da sie am Existenzminimum leben. Zurück in Irland ist ihre Situation aber keineswegs besser. Völlig ohne Einkommen (dieses versäuft nämlich der Vater) siecht die Familie dahin und rutscht immer tiefer ab. Zu Franks Schicksalsgeschichte kommt obendrein noch die strenge Schule und der obsessive Katholizismus, dem er in Limerick unterliegt.

Ein durchaus sehr spannendes Thema. Mir persönlich hat nicht so gefallen, dass kein echter roter Faden vorhanden war, sondern sich Erzählung an Erzählung reihte. Dadurch zog sich das Buch dann doch ungeheuer in die Länge.
Schön widerum war der extrem ungewöhnliche Schreibstil, durch den man tatsächlich das Gefühl hatte, ein 15jähriger erzähle gerade die Geschichte.
Eine außergewöhnliche Biografie, aber -würde ich sagen- kein Muss.

Herman Melville – Moby Dick

Erster Satz: Ich heiße Ismael.

Okay, ich gestehe: Das zog sich doch ganz schön in die Länge. Aber nicht die Art von Länge, bei der man hinterher erkennt, dass man einer Zeitverschwendung unterlag. Ein schönes und fesselndes Buch.

Jane Austen – Stolz und Vorurteil

Erster Satz: Es ist eine Wahrheit, über die sich alle Welt einig ist, dass ein unbeweibter Mann von einigem Vermögen unbedingt auf der Suche nach einer Lebensgefährtin sein muss.

Was für eine schöne Liebesgeschichte. Ein Haufen Missverständnisse gehört natürlich dazu und am Ende ist alles Friede-Freude-Eierkuchen. Das Gganze passiert einer klugen, schnippischen, relativ emanzipierten Frau. Gewürzt wird die Geschichte durch jede Menge Schwestern, einen schlemischen Vater und eine vertratschte Mutter. Hat Spaß gemacht!

Denise Zintgraff – Die Frau aus Tausendundeiner Nacht

Erster Satz: Aus dem Spiegel blickt mich ein schwarzes Gespenst an.

Denise Zintgraff wurde in ihren 40ern angeboten, einem arabischen Prinzen, Märchen zu erzählen, damit er französisch lernt. Die Weltenbummlerin sagt zu, da sie das Engagement jederzeit beenden darf und zieht im Harem ein. Dort lernt sie, sich bedienen zu lassen und die strengen Gesetze außerhalb der Mauern zu fürchten und freundet sich mit den anderen Frauen an, insbesondere mit der Handvoll Europäerinnen, die sie trifft.

Nach eigener Aussage dient das Buch dem Zweck, Europäern die arabische Kultur näher zu bringen und außerdem das Gebilde des Harems von den Vorurteilen zu befreien. Das beides hat sie bei mir geschafft, so gesehen war die Geschichte auch sehr interessant, aber der Spannungsbogen weist etliche Durststrecken auf, die bei einer Biografie über wenige Jahr evtl. nicht vermeidbar sind. Ist okay. Kann man lesen, muss man nicht.

Peter Wyden – Stella

Erster Satz: Stellas Tochter lebt als Krankenschwester in Israel, ist fast fünfzig, drahtig, angespannt, immer auf der Hut vor lauernden Gefahren, wie ein Reh.

Ich habe jetzt lange gezögert, etwas über dieses Buch zu schreiben. Der Grund: Stella Goldschlag, deren Geschichte hier erzählt wird, ist keine Fiktion, sondern hat während des 2. Weltkriegs zahllose untergetauchte Juden an die Nazis verraten.
Das Buch hatte mich insbesondere deshalb interessiert, weil Stella in mehreren Büchern als die große Angst der Protagonisten genannt wurde – wenn ich mich nicht irre z.B. in „Aimée und Jaguar“.
Stellas Geschichte wiederum hat mir nun keinerlei Aha-Effekt gebracht. Der Autor, der in der Schule für die blonde Jüdin geschwärmt hatte, hat sich um Neutralität bemüht; man findet hier also weder eine Hetzrede noch eine Gegendarstellung. Die nüchterne Darstellung ist allerdings nicht besonders meinungsgestaltend. Damit meine ich, dass die gleiche Geschichte als Roman sehr packend und emotional hätte sein können, was dem Wahrheitsgehalt zuliebe hier nun nicht so zutrifft.
Dennoch ist es eine teilweise durchaus spannende, wenn auch ziemlich distanzierte Erzählung über ein ungewöhnliches „Judenschicksal“, das allerdings ab und zu durch die persönlichen Erfahrungen Wydens in der amerikanischen Armee unterbrochen wird.
Unbestritten ist natürlich, dass Stella Hunderte, wenn nicht Tausende in den Tod geschickt hat. Das ist der bittere Nachgeschmack dabei, wenn man versucht, dieses Buch zu bewerten. Selten wurde diese Seite der Naziverbrechen so dargestellt.

Audrey Niffenegger – Die Frau des Zeitreisenden

Erster Satz: CLARE: Es ist schlimm, wenn man zurückgelassen wird.

Was für ein herrliches Buch! Der Inhalt:
Clare lernt mit 6 (?) Jahren den erwachsenen Henry kennen, der mit einem mal splitternackt auf ihrer Lieblingslichtung steht und erzählt, dass sie beide einmal heiraten werden.
Henry wiederum fällt aus allen Wolken, als ihm eines Tages im Alter von 28 die 20jährige Clare begegnet und prompt begeistert über ihn herfällt und behauptet, sie würde seit Jahren auf ihn warten und die beiden würden heiraten.
Wie das geht? Na ganz klar – Henry ist ein Zeitreisender. Natürlich. Allerdings nicht einer von der Sorte, der Maschinen baut um mal Dinos anzugucken, sondern er „verliert die Gegenwart“ vor allem dann, wenn er aufgeregt oder nervös ist und -peng- ist er plötzlich splitternackt in Vergangenheit oder Zukunft und klaut sich erstmal was anzuziehen, während seine Kollegen in der Gegenwart nach ihm suchen oder Clare seine Kleidung von der Straße aufsammelt. Henry hat keine Möglichkeit, seine Zeitsprünge hinsichtlich Ort, Zeit, Dauer oder sonstwas zu steuern, das einzig Konstante ist, dass er immer dort wieder auftaucht, wo er verschwunden ist.
Tatsächlich wirkt aber sein Unterbewusstsein mit: Er springt oft zu Menschen, die er liebt. So besucht er viel zu häufig den tödlichen Autounfall seiner Mutter, den er selbst als kleines Kind nur durch einen Zeitsprung überlebt hatte und nachdem er Clare in der Gegenwart kennengelernt hat, beginnt er auch, ihre Vergangenheit (und Zukunft) zu besuchen.
Man kann sich denken, dass seine Anomalie nicht ungefährlich ist. Er landet splitternackt weißgottwo (und -wann) und muss sich durchschlagen. Das kann man tatsächlich zum Teil wörtlich verstehen, und Henry ist auch ein Meister im Einbrechen geworden.
Während ihr Mann also Klamotten von Wäscheleinen oder aus geschlossenen Läden klaut, sitzt Clare zu Hause, widmet sich vielleicht ihrer Kunst und sorgt sich, ob er gerade erfriert oder zusammengeschlagen wird…

Eine wunderschöne, unchronologische Liebesgeschichte, die niemals kitschig ist. Wundervoll!

Carlos Ruiz Zafón – Der Schatten des Windes

Erster Satz: Ich erinnere mich noch genau an den Morgen, an dem mich mein Vater zum ersten Mal uzm Friedhof der vergessenen Bücher mitnahm.

Ein tolles Buch! Inhalt:
Der 10jährige Halbwaise Daniel Sempere, wohnhaft im Barcelona des Jahres 1945, erhält ein Buch von Julián Carax namens „Der Schatten des Windes“. Die Geschichte fesselt in so sehr, dass er mehr von dem Autor lesen möchte. Doch die Suche danach (so ohne Google und Amazon) gestaltet sich schwierig, obwohl er „vom Fach“ ist (sein Vater und er führen eine Buchhandlung). Schnell findet man heraus, dass Carax zwar vor dem „Schatten des Windes“ schon andere Bücher geschrieben hat, aber eine Gestalt versucht alle Bücher des Autors zu verbrennen und dabei den Namen des Teufels aus seinem letzten Roman benutzt.
Aber Daniel gibt nicht auf. Zwischen Liebeskummer und Teenagertum lernt er Fermín Romero de Torres kennen, einen gewitzten und höchst amüsanten Frauenheld mit brisant-politischer Vergangheit. Erst allein, dann zu zweit und schließlich im Trio mit Daniels neuer Freundin findet die Jagd nach Julián Carax‘ Vergangenheit statt, die sich schnell auch in der Gegenwart als höchst gefährlich erweist. Sowohl das Buch, das Daniel hütet, als auch er der Autor, den er sucht, werden von dunklen Gestalten mit aller Macht gehetzt…

Ein großartiges Buch! Insbesondere Fermín Romero de Torres (ich liebe diesen Namen!) bringt wahnsinnig viel Spaß hinein. Ich muss zugeben, dass es ein paar kleine Plotholes gibt, aber dieser Roman birgt eine Menge Lesegenuss.

Ulrich Wickert – Der Richter aus Paris

Erster Satz: Jacques sah sie tanzen, geschmeidig und mit abwesendem Blick zum Rhythmus der Trommeln.

Es geht um einen Richter, ja, aus Paris, der einen Skandal um Schwarzgelder in der Politik auflösen möchte, wo nebenbei ein bis zwei Mordfälle sowie der Vietnamkrieg wesentlich sind und der ihn unter anderem für längere Zeit in die Karibik führt, damit er zu seiner Exfrau und seiner Geliebten noch eine weitere, aber natürlich tollere, Frau flach legen kann.
Ein so dämliches Buch hab ich noch nicht gelesen. Die ganze Zeit hatte ich gehofft, die Handlung nimmt noch eine klare Linie ein: Ist es ein Politthriller, eine Vietnamkritik, ein Krimi oder eine Liebesgeschichte?! Ich hab keine Ahnung, und das regt mich furchtbar auf. Nicht lesen.

Tracy Chevalier – Das Mädchen mit dem Perlenohrring

Erster Satz: Meine Mutter sagte mir nichts von ihrem Kommen.

Es geht um eine Magd im Haus des holländischen Malers Vermeer. Sie ist ein kluges Mädchen mit Sinn für Bildgestaltung und kämpft gegen des Malers Frau und seine Kinderhorde. Eigentlich war’s das auch schon. Ein paar seiner Bilder werden eingehender erwähnt und eine Entstehungsgeschichte drumherum entwickelt – für das berühmte Bild des Mädchens mit dem Perlenohrring steht natürlich (wer hätte das nach dem Titel erwartet) die Magd Modell.
Aber: Durchaus eine nette Geschichte und ein toller Mix aus seicht und spannend, perfekt als Urlaubslektüre.

Toni Morrison – Menschenkind

Erster Satz: Die 124 war böse.

Es geht um Sethe, eine schwarze Frau, die vor Beginn des Buches aus der Sklaverei geflohen ist. Später stellt sich heraus, dass ihr „Besitzer“ sie aufgespürt hat, nur kurze Zeit nachdem sie sicheres Unterschlupf gefunden zu haben glaubte und Sethe daraufhin versuchte, ihre vier Kinder umzubringen. Tatsächlich überlebten alle bis auf die zweitjüngste Tochter, noch im Säuglingsalter, und der Mann beschloss, auf sein „Eigentum“ zu verzichten, da die Frau offensichtlich wahnsinnig geworden sein musste. Der Geist des Babys spukt fortan in dem Haus, in dem Sethe mit ihren Kindern und der Mutter ihres Mannes (der übrigens nicht auffindbar ist) lebt; die schwarze Nachbarschaft schneidet die Familie seit dem schockierenden Vorfall, ihre beiden Söhne laufen wenige Jahre später von Zuhause fort.
Die Geschichte an sich beginnt, als Paul D. bei Sethe eintrifft: Er war zusammen mit Sethe und der inzwischen toten Mutter Sklave gewesen. Eine Liebesgeschichte versucht sich anzubahnen, wird jedoch durch Sethes egomanische Tochter ständig blockiert. Kaum scheint sich die Beziehung einzurenken, „findet“ man plötzlich ein schwarzes Mädchen vor der Haustür: Menschenkind, der körperlich gewordene Spuk.

Bedrückend. Ich muss zugeben, ich mag Sehr blaue Augen deutlich lieber, weil es zum einen etwas weniger pessimistisch war (denn die Hauptperson ist nicht selbst in den Wahnsinn gestürzt sondern war nur beobachtend) und zum anderen deutlich poetischer. Letzteres kann allerdings ein verfälschter Ausdruck sein, denn ich habe „Sehr blaue Augen“ im Original kennen gelernt, die übersetzte Version fand ich eher ein bißchen plump. Ähnlich geht es mir mit „Menschenkind“. Definitiv ebenfalls ergreifend und entrückend, aber es „erschüttert“ weniger als es „bedrückt“, um mal mit so knappen Unterschieden zu arbeiten. Ich hoffe, ihr versteht, was ich sagen will.

Toni Morrison arbeitet hier stark mit Rückblenden. Man erfährt nur nach und nach die Vorgeschichte und der Leser schlingt jedes Bröckchen Hintergrund, das sie einem hinwirft, gierig auf. Außerdem beginnt man bei der Lektüre verstärkt zu googlen, denn Erinnerungen eignen sich offenbar nicht gut, um zu erklären was dies oder jenes eigentlich ist. Leider kann man es sich trotzdem sehr gut vorstellen und ihre Schilderungen der Misshandlung von Sklaven sind nicht brutal sondern brutal sachlich und umfangreich.
Und ich muss zugeben, es gibt Dinge, die ich nicht ganz verstanden habe und vielleicht soll es sogar so sein, denn nach dem Googlen habe ich nur viele Theorien gelesen. Es lässt einen nur ganz schwer wieder los. Hart und mitreißend.