Keine Chance

Mein Vater ist nicht nur ein ehemals trockener Alkoholiker, dessen Rückfall so heftig ist, dass er sich trotz der Entziehungsklinik vor einigen Jahren heute sicher ist, dass er überhaupt nicht alkoholsüchtig ist,
nein, er ist auch eine lebende Keimschleuder. Ständig am Husten, dauernd krank (und dann natürlich nach bester Männermanier „totkrank“), trotzdem natürlich ganz männlich im Unterhemd draußen rauchend (und trinkend, denn das muss er ja trotzdem heimlich tun, wenn er keinen Ärger will – nützt nur aufgrund seiner Mordsfahne nichts). Meine Mutter hat vor den gemeinsamen TFT eine Schutzfolie geklebt, die sie immer heimlich runterklappt, bevor er an den PC geht, weil der Mann anscheinend nie gelernt hat, wie man hustet ohne seine Bazillen überall zu verteilen.
Heute Mittag hat mir das gründlich den Appetit verdorben. Wieso muss denn mein Platz ihm gegenüber sein? Und als ich mir gerade endlich den wohlverdienten Nachschlag geholt habe (denn ich liebe Hühnerfrikassee!), war ich schon wieder zu spät dran: Die ersten drei Kartoffeln hatte er schon geschnippelt, verzichtete aber großmütig auf seine Bratkartoffeln und lud sie mir auf den Teller. Schnell genug, um alle anderen Kartoffeln aus seiner Reichweite zu holen, war ich auch nicht.
Ich mag es nicht, wenn der Mann an meinem Essen ist. Möchte nicht krank werden. Ich habs nicht verdient, böswillig-fahrlässig angesteckt zu werden. Und ich mags nicht, wenn der Mann in seinem Suff beginnt, philosophisch zu werden. Will mir seine abstrusen Theorien und Gedanken nicht anhören. Und besonders ungern will ich seinen Atem in meiner Nähe haben. Stinkend, eklig.