José Saramago – Die Stadt der Blinden

Erster Satz: Das gelbe Licht leuchtete auf.

Wow! Ich bin total hin und weg von diesem Buch. Der Inhalt:
Ein Mann wartet in seinem Auto darauf, dass die Ampel grün wird. Dann ist er plötzlich blind. Nicht das klassische „blind“, denn er sieht nicht alles schwarz sondern weiß. Der Mann, der ihn nach Hause fährt, erblindet ein paar Stunden später. Ebenso der Taxifahrer, der den Blinden und seine Frau zum Augenarzt bringt. Auch die genannte Frau, der Augenarzt und sämtliche Patienten, mir denen er das Wartezimmer teilte, erblinden. Wie eine Epidemie zieht sich die Blindheit durch die Gesellschaft und die Regierung reagiert mit Quarantäne.
Die Bedingungen dort sind furchtbar: Niemand wagt es, den Blinden zu nahe zu kommen, darum siechen die Ärmsten ohne Hilfe dahin. Unregelmäßig bekommen sie Essen vor die Tür gestellt, das selten reicht und normalerweise nicht sonderlich fair aufgeteilt wird – zählen fällt schwer, wenn man blind ist, da ist es unanständig einfach, sich eine Kiste mehr unter den Nagel zu reißen. Die Irrenanstalt, die zweckentfremdet wurde, verwandelt sich in Tagen in ein Dreckloch. In dieser Extremsituation kommt schnell das Schlechteste im Menschen an die Oberfläche.
Aber, und hier kommt der Knackpunkt, es gibt in dieser Quarantäne eine Sehende. Die Frau des Augenarztes wollte ihrem Mann nicht von der Seite weichen, obwohl die Blindheit sie nicht befallen hat. Das muss allerdings geheim bleiben, denn ansonsten werden sich über 200 Hilflose rund um die Uhr von ihr versorgen lassen.

Ich muss zugeben, in den ersten zwei Mittagspausen mit diesem Buch fragten mich meine Kolleginnen: „Was guckst du denn so irritiert?“ Und ich antwortete: „Mein Buch ist komisch.“
Tatsächlich ist die Story ungewöhnlich, noch überraschender ist allerdings der Schreibstil. Für Dialoge, ja selbst für Diskussionen, werden keinerlei Anführungszeichen benutzt. Die Antworten werden nur mit Kommas aneinandergereiht, die andere Partei nur dadurch gekennzeichnet, dass ihr Satz nach dem Komma mit einem Großbuchstaben beginnt. Es liest sich, als bekäme man es vorgelesen – als wäre man selber blind. Das Buch bietet schon allein deshalb keine Verschnaufspause, kein Zögern zwischen zwei Antworten, denn ansonsten verliert man sich völlig in den teilweise seitenlangen Sätzen. Aber dieses Buch ist superspannend. Lest es!