Heute haben ich und meine perfekten Augenbrauen eine ziemlich miese Englischklausur geschrieben. Ach nein, lasst mich optimistisch sein: Die Aufgabe, die ich verhauen habe, macht nur 25% der Klausur aus. Ich habe hinterher keinen Kaffee von Wieland bekommen, aber damit kann ich leben. Erstens bin ich heute eine Stunde vor Schulbeginn mit meinem Dante in der Aula gewesen (musste meinen Bruder zum Bahnhof fahren) und hatte mir selbst einen Kaffee gekauft, zweitens hat er ihn mir nicht verweigert und drittens gönn ich ihm heute jeden Schluck, ihm gehts nicht besonders. Und ich konnte ihn nicht trösten. Wie tröstet man Leute, die so tun, als würde ihnen etwas Schreckliches nichts ausmachen? Diese Menschen, zumeist Männer, die von kranken Eltern oder toten Freunden mit so einem ironisch-witzigen Unterton erzählen -Wieland mit einem breiten Grinsen, andere eher spöttisch- verunsichern mich. Was kann man für sie tun? Oder -wenn man mal vorausdenkt- wie können sie andere trösten, sollte das mal nötig sein? Epileptische Hunde, herzkranke Väter, erhängte Freunde – ist das alles denn lustig? Ich verstehe ja, dass diese Männer Distanz schaffen müssen, aber es wirkt so kalt… Ich komme mir bei solchen Männern so hilflos vor.
Aber Wieland erwartet ja keinen Trost von mir. Ich vermute, für so was hat man Ehefrauen, sie wird schon wissen, wie sie ihn nehmen muss.
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Wir hatten heute eine gruppeninterne (sind Gruppenarbeiten nicht was feines?) Diskussion über den Sexappeal von Stewards und Stewardessen. Wieland bestritt den (mit Ausnahmen) strikt, Carsten hat dazu keine Meinung und Katharina beleckt alle Stewards. Ich bin bisher erst einmal geflogen, und da war ich Kind von 17 Jahren viel zu begeistert von den Wolken um mich, um auch nur einen Blick für die Stewardessen übrig zu haben. Ich habe aber für Sexappeal gestimmt, was mich zur nächsten Frage bringt: Warum machen Uniformen derart attraktiv? Ich habe mich mit Katharina in eine 10minütige Begeisterungsschreierei über Marineuniformen verwickelt, die Wieland nur mit Mühe abbrechen konnte. Ich arbeite in einer Hafenstadt, und tatsächlich wirkt jeder einigermaßen ansehbarer Mann in einer Uniform plötzlich absolut abschleckbar. Und das mir, die ich doch eher hinter schönen Frauenkörpern herhechle als hinter einem Manneskörper (außer ich brauch kostenlosen Kaffee oder Autodienste 😉 ).
Was also macht eine Uniform so sexy? Ist es die Autorität? Bei Polizisten und Feuerwehrmännern könnte das sein, aber was hat mir schon ein Matrose zu sagen. Ist es die Einheitlichkeit, die damit einhergehende Anonymität? Schließlich wird ja auch bei den Stewardessen zu den attraktiven Eigenschaften gezählt, dass sie am „Morgen danach“ vielleicht schon auf einem anderen Kontinent ist. Aber nein, Einheitlichkeit finde ich wenig sexy. Aber das was einen Uniformträger unter anderen Uniformierten zum Gleichen macht, hebt ihn zugleich von allen Außenstehenden ab. Ist es das? Die fremde Elite? Die Frage „Was hat er, dass er es verdient eine Uniform zu tragen“? Oder ganz simpel nur das Gefährliche, Abenteuerlustige, das zumindest laut dem Klischee (und was anderes verfolgen wir gerade?) in jedem Polizisten, Feuerwehrmann, Matrosen, Steward oder Soldat stecken muss? Vielleicht hat ja jemand noch eine bessere Idee.
Und wo wir schon bei Klischees sind: Habe ich mal erwähnt, dass ich Ostfriesin bin? Ich bin erst heute jemandem begegnet, dem die ostfriesische Teezeremonie Rätsel aufgegeben hat. Für alle unkundigen: Kluntjes in den Tee, eine Milchblume auf den Tee, n-i-c-h-t rühren. „Wie?“, fragte mein Bekannter, „dann schmeckt der letzte Schluck ja extrem süß!“
Nachdem ich bei hunderten vollblutostfriesischen Tanten in dieses Ritual eingeführt worden bin, erscheint es mir so völlig unvorstellbar, dass es Menschen gibt, die seinen Sinn nicht nachvollziehen können. Sofern man einen Sinn in Teezeremonien sehen kann.
Ich bin stolz auf mein Ostfriesenblut. Ostfriesen sind stark und robust, mit beiden Beinen auf dem Boden, niemals zimperlich, immer geradeaus, mit einem Immunsystem wie ein Erdwall, mit einer Sicherheit, die meinen Onkel seinen durchgedrehten Eber erschlagen lassen hat, ohne jederlei Ziererei oder Naivität, immer zu hundert Prozent sie selbst.
Außerdem sind alle Ostfriesen Männer. Männer zwischen 30 und 50 Jahren.
Ich bin obendrein nur zu 50% Ostfriesin, und auch das nur genetisch. Von meiner Südoldenburgischen Mutter habe ich meine schlanken Finger, meine Spinnenphobie, die Sensibilität und vermutlich auch meinen Glauben an das Gute im Menschen. Meine „Zimperlichkeit“, was Auto- und Gartenarbeit rechne ich zu Hundert Prozent und ohne mich zu schämen meinem Vater an, der mir schon im Alter von 6 verboten hat, mir meine zarten Frauenhände zu zerarbeiten und der mir bis heute verbietet, einen Schraubenzieher auch nur in die Hand zu nehmen. Wie soll eine anständige Ostfriesin da auch selbstständig werden?
Aber das macht nichts. Ha, was red ich, es kommt mir doch entgegen. Es ist entsetzlich einfach, das hilflose Mädchen zu spielen. Auch wenn es eine erschreckende Entdeckung ist, wenn man merkt, dass das Spiel Ernst wird.
Immerhin bin ich zur Hälfte eine waschechte Ostfriesin. Ich verstehe dreckige Witze vor den meisten, ich bekomme keine Alpträume (auch wenn ich nach Mysery drei Tage lang gehumpelt habe), ich bin aufbrausend und beharre auf meine Meinung und ich renne 18 Stunden nach der Blinddarm-OP schon wieder durch die Flure.
Ganz gute Mischung, find ich doch.