Tage 1+2

Der Vollständigkeit halber hier ein Rückblick.
Mein Flieger ging Montag um 18.30h. Erste Etappe: London Heathrow. Ich greife schon mal etwas vor: British Airways haben wider Erwarten mein Gepäck nicht verloren. Mit einem freien Platz neben mir und einer Reihe Geschäftsleuten daneben konnte ich ungeniert wie ein Schlosshund heulen, als die Maschine abhob – das Wissen, dass der Schatz (der mal wieder im ungünstigsten Moment beim Manövrieren durch die Flugzeugsitze angerufen hatte) dem Flugzeug von der Aussichtsplattform zusah, machte es nicht leichter. Aber, da muss ich echt mal ne Lanze brechen, ich hab noch nie etwas so schönes gesehen wie das nächtliche London aus der Luft.
Nächste Station: Singapur. Sowohl auf meinem e-Ticket als auch auf der Boardkarte stand bei mir nur „Heathrow – Melbourne (1 technischer Stop)“, darum hat es mich etwas genervt, in Asien nochmal das Flugzeug wechseln zu müssen. Wusstet ihr, dass man bei jedem Umstieg nochmal durch die Sicherheitskontrolle muss?! Und ich hasse das… In was für einer Zivilisation leben wir denn, dass wir freiwillig vor Fremden Gürtel und Schuhe ausziehen, unsere Tascheninhalte durchwühlen lassen, uns für kritische Besitztümer rechtfertigen und eventuell auch noch betatschen lassen müssen, nur um zu reisen…?! Ich darf meckern, hab das innerhalb von 30 Stunden viermal mitgemacht.
Ich saß während der Strecke über die Kontinente in der Mittelreihe, und da obendrein mittig. Immerhin war auf dem ersten Teil der Sitz links von mir frei, der nette Typ an der linken Seite hatte sich geweigert, um den Platz zu kämpfen, und ich hatte tatsächlich ungefähr so viel Freiraum wie ich brauche. Das Mädchen rechts von mir war ebenfalls sehr nett.
Das änderte sich in Singapur. Das Mädchen hatte zwei Boardkarten, also auch zwei verschiedene Plätze, während der Typ am Gang ebenso wie ich den selben Platz wieder hatte. Zwischen uns setzte sich nun eine süße Asiatin, die während des ganzen Flugs irrsinnig witzige Filme gesehen haben muss (einer davon war „So spielt das Leben“, bei den anderen Stichproben tippe ich auf etwas nationaleres). Rechts von mir saß ein superschlecht gelaunter Typ, der Essen und Mitpassagiere regelmäßig mit einem erzürnten Brummen bedachte. Übrigens habe ich im Airbus „The Social Network“ gesehen (wusste nach dem zweiten Film schon nicht, was ich vorher gesehen habe, war also eher mittelmäßig), „Morning Glory“ (besser als erwartet – Lena K., ich glaube, der würde dir gefallen! Hab mich ein paar Mal verwirrt umgesehen, weil ich dein Lachen nicht gehört habe) und „Megamind“ (schwach).

Es folgen Notizen aus dem Airbus: Ich hoffe wirklich, dass Australien diesen Flug wert ist. 30 Stunden unterwegs ist echt kein Pappenstiel, aber vermutlich würde ich das etwas lockerer sehen, wenn ich für den Flug von London nach Melbourne einen Fensterplatz erwischt hätte. Ich glaube, dass hat diese Giftnudel von BA absichtlich gemacht, aus Rache dafür, dass sie -als nur für Business-Kunden zuständige- mich nur zu sich rübergewunken hatte, weil sie dachte, ihre Kollegin hätte mir bereits ein Boardticket ausgestellt.
Naja, Business-Kunden ist auch egal, wo sie sitzen, aber ich bin da einfach Mädchen, oder um ganz ehrlich zu sein: Kleinkind. Ich will am Fenster sitzen! Stattdessen bin ich in der öden Mittelreihe gelandet – obendrein in der Mitte der Mittelreihe, so dass ich momentan zwischen zwei schlafenden Menschen gefangen bin, die aber immerhin im wachen Zustand ganz nett sind.
In einem Flugzeug wach zu sein, das im Schlafmodus ist, hat -passenderweise- etwas von einem gruseligen Traum: Man sitzt fest und beobachtet zwischendurch zerzauste Menschen mit stumpfen Blick auf und ab wandern, regelmäßig checkt eine Stewardess mit abartig heller Taschenlampe ob kein Passagier gestorben ist / den Sicherheitsgurt geöffnet hat / Gepäck in lebensbedrohliche Situationen gebracht hat. Die merkwürdigen Farben tun ihr übriges. Gruselig.
Geschrieben um 04:11h London-Zeit / 12:11h Singapur-Zeit, etwa über Kabul.

In Melbourne mussten dann alle Einreisenden durch die Passkontrolle (übrigens ließ meiner sich nirgendwo anstandlos einscannen – kann man die Dinger reklamieren?), dann die Koffer einsammeln, damit durch den Zoll („Do you have Hikingshoes? No? Okay. What kind of food do you have with you? Chocolate? Only chocolate? Sure? Okay, go.“) und dann zum Check-in für Domestic Flights, wo ich dann erstmal erklärte, dass ich eine neue Boardkarte brauche, weil mein Flieger über eine Stunde Verspätung hatte (O-Ton Kapitän: „The winds are against us!“). Das hat dann auch geklappt, mein Betteln nach einem Fensterplatz trug Früchte – ein einziger war noch frei!

So ging es dann gemütlich nach Adelaide. Mit zwei Stunden Verspätung erlebte ich den schönsten Landeanflug meines Lebens und ja, das kann ich im Alter von 24 schon so sagen. Die Maschine fliegt nämlich über die Stand, dreht dann über dem Meer eine weite Kurve, während die See blau und türkis glitzert, als gäbe es nichts Böses auf der Welt, fliegt über den Strand und landet kurz darauf zwischen merkwürdig schlanken schwarzweißen Vögeln. (Also, nicht direkt dazwischen natürlich, aber ihrwisstschon).
Meine Mitbewohner Mathilde holte mich vom Flughafen ab und eine halbe Stunde später zeigte sie mir die WG. Fotos kennt ihr schon. Anschließend fuhr sie mit mir zum Supermarkt und obwohl ich den Nachmittag eigentlich gut überstanden hatte, erwischte mich am frühen Abend der Jetlag wie eine Keule. Entsprechend uneloquent war ich, als ich meine anderen Mitbewohner Terry und Dan kennen lernte. Übrigens hab ich vorher nicht gewusst, dass ich mit einem Australier (Terry) und zwei Franzosen zusammenleben würde. Mal gucken, ob sich da noch irgendwelche Klischees entwickeln. Allerdings sagte Dan mir, dass er selbst die Einwohner von Paris extrem unfreundlich findet. Ein hartes Urteil für jemanden, der dort in einem Vorort wohnt.

Ich bin also früh schlafen gegangen und war am Donnerstag früh genug wach um mit dem Schatz zu skypen, bevor er ins Bett musste. Ansonsten habe ich an dem Tag nicht viel getan außer unter der Hitze zu brüten. Abends haben Mathilde und Dan mich und zwei französische (!!) Backpacker, die Dan am Vortag kennengelernt hatte, zum Mount Osmond gebracht um Fotos zu machen. Leider konnte der männliche Teil des Paars kaum englisch, aber ich muss sagen, dass der Sprachenmix ziemlich ausgewogen war und ein bißchen französisch verstehe ich ja auch. Anschließend überfielen wir zu dritt einen McDonald’s – ein McChicken im Menü kostet hier 7,95$, wenn es jemanden interessiert. Beim Essen im Gemeinschaftsraum erst zusammen mit Mathilde und einer Freundin von Terry, danach mit Dan (ich esse offenbar sehr langsam) habe ich mehr Tratsch erfahren, also für ein naives Kind wie mich gesund ist… 😉

Kurz bevor ich schlafen gehen wollte, entdeckte ich dann eine Spinne an meiner Zimmertür. Eine wirklich eklige und potenziell giftige Spinne. Sage ich als instinktiver Spinnenkenner. Es war inzwischen 1 Uhr nachts, ich konnte also niemanden zu Hilfe holen, obwohl Dan sich bereits als Spinnenfan Schrägstrich -retter profiliert hatte. Ich beschloss sie zu ignorieren, aber als ich nach 15 Minuten im Bett nochmal das Licht anmachte, hatte sich das Vieh an der Wand entlang enorm in meine Richtung vorgearbeitet. Die Helligkeit ließ sie an die Zimmerdecke fliehen und ich schwöre, dass ich die selbe Strecke im Leben nicht in so kurzer Zeit hätte zurücklegen können! Ich schlief also mit angeschaltetem Licht und am nächsten Morgen war sie verschwunden. Meine Nacht war trotzdem kurz.

Als ich Mathilde am nächsten Morgen davon erzählte, antwortete sie mir, ich dürfe sie jederzeit für einen Spinnenkampf wecken. Ist das nicht süß? Kurz nachdem sie zur Arbeit gefahren war, begann es in Strömen zu regnen. Es war so enorm viel Wasser, dass die Autos sogar begannen, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten – Schock! Ich flüchtete von der Veranda und als ich nicht mehr mitanhören konnte, wie die Fenster bei Donnerschlägen zitterten, begann ich sauber zu machen. Eine männerlastige WG halt. Ich habe im Laufe der Zeit eine ziemlich starke Abwehr dagegen entwickelt, mich ausnutzen zu lassen, aber zu Hause putze ich ja auch einmal die Woche „groß“, also auch hier.
Als der Regen aufhörte und ich über die lahme Internetverbindung fluchte, krabbelte es plötzlich an meinem Fenster und ich redete mir erfolgreich ein, dass es sich um eine Trichternetzspinne handelte. Glücklicherweise hatte ich das Biest schnell ausgesperrt und nachdem ich bei der Recherche las, dass „der Tod nach ein bis 30 Stunden“ eintreten könne, beschloss ich, den Tag in der City zu verbringen…

Adelaide, 12.02.2011, 19:20h