Kathryn Harrison – Die gebundenen Füße

Erster Satz: In den Torpfosten, rosa Stuck wie die Villa, war eine glasierte Kachel mit einer blauen Nummer eingelassen, der gleichen wie in der Anzeige.

Als ich das Buch vor Jaaahren zum ersten Mal gelesen habe, sind mir die ganzen sexuellen Anspielungen gar nicht aufgefallen. Mal mehr, mal weniger dezent, das Buch strotzt davon und so muss es wohl auch sein, wenn eine Geschichte davon handelt, wie Frauen um ihre Unabhängigkeit kämpfen.
Hauptfiguren sind May, der mit vier Jahren die Füße eingebunden wurden, und ihre Nichte Alice. Mays Lebensgeschichte besteht aus Tragödien, wegen derer sie gelernt hat Chinesen zu hassen – nicht ganz einfach, wenn man in Shanghai lebt. Glücklicherweise heiratet sie mit Arthur einen eingewanderten Australier und sie verbindet eine enge Zuneigung mit einer ihrer Nichten. Auch nachdem die Familie China verlassen hat, bleiben die beiden Frauen verbunden und kämpfen, jede auf ihre Weise, um die Unabhängigkeit, die die eine aus körperlichen und die andere aus familiären Gründen nie wirklich erreichen konnte.
Ein faszinierendes, mitreißendes Buch, das chinesische Kultur heraufbeschwört, in Rückblenden die Vergangenheit(en) von May und Alice beleuchtet und nach und nach weitere Frauenschicksale mit einwebt.