Obwohl die Kultur hier doch eigentlich eine europäische sein sollte, sind die Menschen irgendwie total anders als zuhause. Die Mentalität ist einfach anders – vermutlich bedingt durch das gute Wetter.
Einerseits gibt es da die Supermarktverkäufer – in Deutschland wäre es undenkbar, an der Kasse zu stehen, zuzusehen, wie die Waren gescannt werden und dabei in einen Plausch verwickelt zu werden. Welcher Kassierer hätte mich je gefragt wie meine Examen laufen, mir einen Club empfohlen in dem Rock gespielt wird oder die knappen Fremdsprachenkenntnisse bemüht um mich in deutsch zu begrüßen? Dabei nebenher meine Einkäufe sorgfältig in eine Tüte geräumt (ist mir die 10 Cent extra durchaus wert!) und mir beim Gehen noch einen herzlichen Gruß zugeworfen? Finde ich großartig.
Dann die zähen, direkten Australier – quasi wie Franzosen, nur in sympathisch. Ich habe in meinem Leben noch nicht so viele Flüche gehört wie hier. Aber all das auf einer nicht böse gemeinten, quasi unverbindlichen Art und Weise. Das „fuck“ gehört halt in den Satz. Meine liebste Erinnerung an das lose australische Mundwerk ist das Football game – natürlich. Wir saßen eine Weile vor einer Frau, die mit zwei Kindern da war und einem Mann, von dem ich nichts mehr gehört habe seit er sich einen Kaffee („you?!“) holen wollte. Wenn sie nicht gerade Sarah oder Brian anwies, sich vernünftig hinzusetzen, verantwortungsbewusst mit den Süßigkeiten umzugehen oder halt einfach nur das Spiel anzusehen, schrie sie hinaus, dass die „girls“ sich endlich bewegen sollen und dieser oder jener Spielzug eine Schande für ganz Australien sei und es unfassbar sei, wie dämlich die Spieler sich anstellten… es war einfach köstlich!
Ganz anders wird es hier allerdings am Wochenende, so ab Einbruch der Dunkelheit. Dass Australien ein Drogen- und Alkoholproblem hat, und das nicht zu knapp, ist leider kein Gerücht. Und dass mich auf meinem Heimweg regelmäßig ein Autofahrer fragt, ob er mich mitnehmen soll, ist ja obendrein ein Zeichen dafür, dass die australischen Mädchen da durchaus Ja sagen. Nachts kann es hier tatsächlich etwas gruselig werden, aber – ein Nein wird hier diskussionslos akzeptiert, egal ob auf der Straße oder in/vor einem Club. Ein Nicken, lächeln, winken und ein „See ya“ und weg ist er, was immer er auch wollte. Kann natürlich bei den unter Drogen stehenden Irren, die auf der Straße ihre eigenen Gliedmaßen anschreien, auch wieder anders sein, aber darauf hab ich’s nie ankommen lassen…
Oh, und die Unterschiede, wenn man in einer Region lebt, in der es selbst in Winternächten selten mal 5° wird – jetzt, bei etwa 14 – 16°C laufen die Leute mit dicken Männteln herum, setzen ihren Kindern Sturmhauben auf und ich habe sogar schon Fäustlinge gesehen! Ich dagegen freue mich, dass mir meine Übergangsjacke wieder passt… Das war übrigens auch mein erster Kulturschock hier: In einer Infoveranstaltung für Auslandssemester, die in einer Vorlesung eingefügt wurde, warb man mit Bildern von Schneemann-bauenden Jugendlichen!
All unsere Dozenten erwarten mit dem Vornamen angesprochen zu werden. Als Rollstuhlfahrer wird man vermutlich nirgends so umsorgt wie hier in der Tram. Jedes gemeinsame Warten, und sei es nur, bis die Kreditkarte ihre Daten übermittelt hat, wird mit einem netten Plausch gefüllt. Die Leute hier sind gerne freundlich und respektvoll zueinander. Das finde ich sehr, sehr schön.
Adelaide, 21.06.2011, 00:39h