Arachnophobia

– Nein, nicht der Film, sondern meine Heimfahrt.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, sich niederträchtig aus dem Verborgenen heranschleichend, seilte sich eine widerliche, miese, ekelhafte Spinne von meinem Autodach ab – direkt neben meinem Kopf! Ich hab so einen Schock bekommen, das hätte richtig böse ausgehen können. Gut, dass das miese Vieh nicht einberechnet hatte, dass ich gerade auf eine rote Ampel zu rollte.
Doch nur mit der Erkenntnis des Fast-Stehens und des kurz darauf Stehens war der Fall noch nicht erledigt. Mit aufsteigender Panik wand ich mich auf dem Fahrersitz, während der achtbeinige Konspirateur mit rasant steigender Geschwindigkeit auf mich zustürzte. In einem Verzweiflungsakt packte ich die Fensterkurbel und kurbelte um mein Leben. Die Scheibe raste tiefer, ebenso wie die Spinne, die ihren Vorsprung nutzte. In der letztmöglichen Sekunde trafen sich Getier und Fensteröffnung und mit allem Adrenalin, das ich aufbringen konnte, blies ich sie hinaus. Doch falsch gedacht! In einem Kamikazeakt stürzte sich der wildentschlossene Eindringling in die Tiefe, um im Fahrerraum in der Dunkelheit zu verschwinden und sich zwischen Blättern und Fußmatten zu tarnen. In blinder Panik begann ich zu trampeln und als ich meine Besinnung wiederfand, hoffte ich sie tot.
Die Ampel wurde grün. Ich schloss das Fenster.
Keine drei Kilometer später hatte das rücksichtslose Wesen meine Tür wieder erklommen und kämpfte sich mit blinder Beharrlichkeit aus dem schützenden Türenhintergrund zu dem freien Feld, das meine Scheibe darstellte. Ich kämpfte gegen Panik und Adrenalin und während ich die langen, spitzen braunen Beine meines Widersachers beobachtete und das Zittern in mir zu unterdrücken versuchte, kurbelte ich vorsichtig, doch mit beharrlicher Zielstrebigkeit die Fensterscheibe tiefer und tiefer. An einem Stauende, das der Herr mir geschickt hatte, sah ich meine Chance und pustete, wie ich es nie zuvor getan hatte.
Doch auch diesmal hatte ich mich verschätzt! Der gerissene, rücksichtslose Kontrahent stürzte sich erneut herab und verschwand in den Tiefen um seinen neuerlichen Angriff vorzubereiten.
Obwohl, oder gerade weil, ich jeder Spur vom Rivalen entbehrte, kroch die Panik sprichwörtlich wie mit Spinnenbeinen von meinen Beinen herauf. Meine Füße waren die ersten, die in übernervöses Kribbeln verfielen – sie schlafen nur ein, redete ich mir ein – nach einer billigen Ausrede suchend, wie sie sich jeder in dieser Lage zu eigen gemacht hätte, hartnäckig ignorierend, dass es keinen Grund gab, aus dem die Blutzirkulation im linken Fuß in dieser Paniksituation aussetzen sollte. Als auch das Bein von einem entsetztem Jucken befallen wurde, zeichnete sich jeder folgende Ampelstop durch hektische Sitzakrobatik aus – ist sie in meinem Schuh? in meinem Hosenbein? kann ich sie sehen? Doch nicht eine Spur gab die Niederträchtige von sich. Nur mit Mühe konnte ich ein Hyperventilieren vermeiden, doch ich begann hypochondrisch zu werden, hielt Vögel außerhalb des Autos für Spinnen innerhalb, Flecken auf der Scheibe begannen sich vor meinen Augen achtbeinig zu bewegen und schließlich riss ich selbst meine Sonnenbrille panisch von mir, weil ich die Schrauben am Glas bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gesehen und jetzt für Lebewesen gehalten hatte.
So unbefriedigend – ohne Mord oder Totschlag, ohne Blechschäden und Chemiewaffen, selbst ohne Aufklärung, ohne Happy End – endet diese Geschichte. Noch zu diesem Zeitpunkt, in dem ich meine Geschichte niederschreibe, Gänsehaut, die meinen Rücken hinaufkriecht wie mit acht Beinen, ignorierend, noch jetzt sitzt meine Nemesis, warm und sicher verborgen zwischen totem Laub und dreckigen Matten, in ihrem okkupierten Reich und schmiedet bessere, ausgefeiltere, gerissenere Pläne voller Blitzangriffe und Hinterhälte, um mich aus dem besetzten Gebiet zu vertreiben.
Der Krieg geht weiter. Morgen, übermorgen, wenn es sein muss unser Leben lang. Ich werde nicht aufgeben. Gott sei mit euch.